Nachtzüge überall – die Öffentlichkeit schaut plötzlich hin

Medien und Öffentlichkeit realisieren, dass Nachtzüge ein Revival erleben. Ein Trend, der noch lange anhalten dürfte.

Bild eines Nachtzugs in Basel SBB kurz vor der Abfahrt
Nightjet kurz vor der Abfahrt in Basel

Aktuell geschieht in den Medien das, was Steve Jobs 1997 als «The media delay» bezeichnete. Er beschrieb in einer Q+A Session mit Entwicklern, dass die breite Öffentlichkeit und Medien häufig ein bis zwei Jahre brauchen, um zu realisieren, dass sich Dinge verändern.

Und genau das passiert aktuell mit den Nachtzügen in Europa.

Die Wahrnehmung von Nachtzügen hat sich immer wieder geändert. Mit dem Aufstieg der Billigflieger wurden Nachtzüge totgesagt. Die Deutsche Bahn und die SBB stiegen aus dem Geschäft aus. Die ÖBB übernahm zwar einige Verbindungen der Deutschen Bahn, insgesamt wurde das Angebot aber krass verkleinert. Back-on-track engagierte sich jahrelang hartnäckig und unermüdlich für mehr Nachtzüge, doch es sah nicht immer gut aus.

Zwei Menschen halten ein Banner und fordern damit mehr Nachtzüge
Pressebild von Back-on-track

Dann kam die Klimakrise in der Öffentlichkeit an und die Wahrnehmung und Nachtzüge waren wieder hip. Allerdings gab es erst wenige Verbindungen und erst recht wenig Rollmaterial. Viele Menschen in unterschiedlichen Positionen begannen an neuen Nachtzügen zu arbeiten. Die ÖBB bestellte neues Rollmaterial, Startups wurden gegründet und vollmundige Pressemitteilungen verschickt. Trotzdem war die Wahrnehmung, dass Nachtzüge eine Nische bleiben und generell eher etwas für Liebhaber sind.

Nach und nach kamen einige neue Verbindungen dazu, an vielen Orten wurde altes Rollmaterial wieder in Betrieb genommen. Bis heute ist es beeindruckend, dass es sich bei immer mehr noch älteren Wagen zu lohnen scheint, diese zu reparieren:

Und nun, mit dem Start des European Sleeper, scheint die Öffentlichkeit zu realisieren, dass Nachtzüge Realität und das Potenzial riesig ist. Kein Tag vergeht aktuell ohne einen Medienbericht zum Revival der Nachtzüge in Europa.

Ich sammle hier einige dieser lesens- und hörenswerten Medienberichte und teile gleich noch einige gute Newsletter und Bücher zum Thema.

Politico hat ein aufwendiges Online-Stück produziert, das sich (besonders auf dem Smartphone) sehr lohnt zu lesen. Nebst einer guten Recherche und Einordnung wurden Töne auf den Perrons gesammelt.

Europe’s sleeper train awakens
The upstart European Sleeper is gambling on a night train revival to link up the Continent.

Sky News hat einen schönen Beitrag produziert, mit Interviews von einigen Promis der Bubble:

Der NDR hat eine Nordreportage produziert über den Nightjet und das Phänomen der Nachtzüge:

Weitere Lese- und Geschenktipps zu Nachtzügen

Bahnkenner Sebastian Wilken hat die Zugpost gestartet. Er stellt zirka wöchentlich tolle (Nacht-)Zugstrecken mit tollen Bildern und schönen Texten vor, ein wahrer Genuss und grosse Leseempfehlung:

Zugpost – Ein Newsletter über das Zugreisen
Jede Woche neu mit Inspiration, Tipps und Neuigkeiten rund um das Zugreisen in Europa. Unabhängig, kostenlos und werbefrei.

Das Buch «Night Trains: The Rise and Fall of the Sleeper» lässt einen träumen von den goldenen Zeiten der Nachtzüge. Ein perfektes Geschenk für Nachtzugfans:

Night Trains: The Rise and Fall of the Sleeper review – we can still dream
Andrew Martin’s witty and informative guide to past and present overnight rail services is a treat

Ebenfalls ein gutes Geschenk ist das Buch: Die 20 schönsten Nachtzugstrecken in ganz Europa auf einen Blick.

Und wir bleiben gleich bei den Geschenken. Back-on-track hat eine schöne Karte im A3-Format mit allen Nachtzugstrecken von Europa produziert und verschickt diese für einen fairen Preis:

Our Night Train Map – Back-on-Track
Nachtzugkarte bestellen bei Back-on-track

Wir sind noch immer früh dran

Aktuell sind die Nachtzüge auf den Strecken aus der Schweiz fast jeden Tag ausgebucht. Die Nachfrage ist deutlich grösser als das Angebot. Ich gehe davon aus, dass sich dies nicht so schnell ändern wird. Ein grösseres Angebot wird eher noch mehr Nachfrage generieren. Projekte wie der European Sleeper, die über Crowd-Investment einen Zug auf die Schiene bringen, sind nur die Vorboten und ersten Symptome dieser Bewegung.

Es wird sich einiges tun in nächster Zeit. Das Ticketing wird einfacher werden (anders geht es ja nicht mehr), das Rollmaterial wird moderner, neue Städte werden angeschlossen und weitere Startups werden in den Markt eintreten.

Ich freue mich darauf.