9-Euro-Ticket für die Schweiz? Einige Gedanken und eine Idee.

Die Nachfrage nach dem öffentlichen Verkehr in Deutschland ist mit dem 9-Euro-Ticket explodiert. Was können wir daraus lernen? Eine Idee wäre die Einführung eines EasyRide-GA.

Perron am Bahnhof Bern, ein Zug auf der Linken Seite, Menschen steigen ein

Das 9-Euro-Ticket ist in Deutschland gestartet. Interessierte können sich durch sehr unterhaltsame Beiträge und Berichte klicken, wie erfolgreich oder skandalös das Ticket in Deutschland funktioniert:

Für eine differenzierte Betrachtung müssen wir auf jeden Fall noch einige Wochen warten. Ein interessantes Experiment ist es auf jeden Fall. Es geht um die zentrale Frage:

Was darf, soll und muss Mobilität kosten?

Was schon nach wenigen Tagen klar ist: Pauschale Preise sind attraktiv und lösen eine gewisse Faszination aus.

Angebot und Nachfrage

Die ersten Tage des 9-Euro-Ticket zeigen deutlich, die Nachfrage richtet sich (zumindest kurzfristig) enorm nach dem Preis. Und: Das Angebot auf der Schiene kann kurzfristig kaum signifikant ausgebaut werden. Kurzfristig wird also eine enorme Nachfrage geschaffen, während das Angebot fast gleich bleibt.

Screenshot der SBB EasyRide App
EasyRide hat die Abrechnung für ÖV Nutzer:innen stark vereinfacht

In der Schweiz haben wir uns seit vielen Jahren an ein stabiles Preisssytem gewöhnt, bestehend aus einer Mischung von Halbtax, Sparbilleten, GAs und Einzeltickets. Mit EasyRide (bzw. Fairtiq und co.) hat sich zwar die Abrechnung verändert, das Preissystem an sich allerdings nicht wirklich.

EasyRide als grosse Chance?

EasyRide hat für mich einen grossen Vorteil: Wenn ich an einem Tag mehr Zug (oder Tram, Bus oder Schiff) fahre, als dies eine Tageskarte kosten würde, wird mir 'nur' die Tageskarte verrechnet. Dasselbe gilt in Städten. Wenn ich mehrmals das Tram benütze, bezahle ich nur eine Tageskarte im jeweiligen Tarifverbund.

Ich weiss also, ich bezahle maximal die Tageskarte.

Ein Monats-GA mit EasyRide?

Wenn ich meinen eigenen Mobilitätskonsum anschaue, bin ich wohl ein eingermassen klassischer ÖV-Kunde. Ein GA lohnt sich (leider) nicht, allerdings gebe ich pro Monat gut und gerne zwischen 100 und 200 Franken für ÖV Tickets aus. In einigen Monaten kann es auch deutlich darüber oder darunter liegen.

Wie wäre dieser Konsum, wenn ich wüsste, ich bezahle maximal das Monats-GA? Also sämtliche Fahrten über einen Monat würden zusammengerechnet,  falls ich über den Kosten für das Monats-GA liege, wird maximal dieses verrechnet. Damit könnte ich auch als 'Gelegenheitspendler' sicher sein, nicht mehr zu bezahlen als, wenn ich das GA hätte. In den Monaten, in denen ich den ÖV seltener benutze, würde ich weniger bezahlen. Ich glaube, ich würde damit insgesamt häufiger mit dem ÖV reisen und hätte vermutlich in einigen Monaten im Jahr den GA Preis am Ende des Monats. Gleichzeitig müsste ich aber auch nicht Angst haben, dass ich ein Abo besitze, welches ich nicht genügend nütze.

Was wären die Vorteile?

  • Jede:r ÖV Kund:in hätte die Vorteile des GAs, kann also in jeden Zug steigen und sich sicher sein, maximal eine Pauschale zu bezahlen (die verglichen mit der Qualität und dem Angebot sehr fair ist).
  • Die Kosten für den ÖV wäre für Gelegenheitspendler:innen deutlich besser vorauszusagen, etwas Vergleichbares wird das Auto nie bieten können.

Und die Nachteile?

  • Viele Menschen in der Schweiz besitzen ein GA, auch wenn sie dies eigentlich nicht brauchen. Sie schätzen den Komfort 'einfach einsteigen zu können' und bezahlen dafür gerne einen Aufpreis, verglichen zu Einzeltickets. Diese Menschen wären mit dem EasyRide Kostendeckel deutlich besser bedient, den ÖV Unternehmen entgehen also Einnahmen.
  • Eine Lenkung der Pendlerströme wird schwieriger. Es gibt weniger Anreiz, nicht zu den Hauptverkehrszeiten zu fahren.

Für mich ist das Ganze im Moment ein Gedankenspiel, ausgelöst durch das 9-Euro-Ticket. Denn wir sehen in Deutschland, eine Pauschale (insbesondere eine sehr tiefe) löst eine enorme Nachfrage aus und bewegt Menschen dazu, den ÖV zu nutzen. Ob diese zusätzliche Nachfrage und der generierte Mobilitätskonsum in jedem Fall wünschenswert ist, kann man diskutieren. Es zeigt aber, die Preispolitik spielt eine enorme Rolle und viel Potenzial.

Warum also nicht ein Experiment wagen, zum Beispiel mit einem EasyRide GA?